Bösere Zungen als meine behaupten ja, Berlin würde mindestens zur Hälfte von Schwäbinnen und Schwaben bevölkert, die aus den engen, bedrückenden Milieus ihrer Heimat in die räumliche und gedankliche Weite der Hauptstadt geflohen seien. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber sicher ist: Später sind auch noch ein paar Bonner dazugekommen. Während nun aber in Berlin, dem Herzland des kritischen Denkens, viele mit großen Eifer dabei sind die Straßen der Stadt von Spuren des kolonialen Erbes zu bereinigen und Rassismus auch in Form von Straßennamen zu bekämpfen, ist in der alten Heimat scheinbar niemand mehr übrig, der sich um diese Dinge kümmern würde. Was man im Schwabenland und in der rheinischen Provinz an Zeugnissen ewiggestriger Geschichtsvergessenheit immer noch findet, ist jedenfalls geradezu verstörend.

Dies entdeckte ich bei einem Stop-over auf dem Weg ins Land von Myrthe und Zitronen in Bad Krozingen. Aber auch hier in Bonn gäbe es durchaus etwas, das diesbezüglich Aufmerksamkeit verdient hätte, und es wundert mich tatsächlich, dass sich in einer Studentenstadt noch niemand an dem sogenannten Hauszeichen gestoßen hat, das das Gebäude gleich neben dem berühmten Beethovenhaus ziert.

Es handelt sich um eines der ältesten Bürgerhäuser der Stadt, in dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts „eine Spezereiwarenhandlung mit Gewürzen und Waren aus exotischen Ländern befand – vermuteter Grund für die Verwendung des Mohren als Hauszeichen“, so die Wikipedia. Ich gebe zu, ich fände es schade, wenn man dieses alte Haus seines Wahrzeichens berauben würde, aber über ein Hinweisschild (wie in der hiesigen Adolfstraße), könnte man vielleicht schon nachdenken.
PS: Ich habe mich in meiner alten Heimat auch einmal nach Spuren umgesehen und bin erschreckenderweise in meinem eigenen Elternhaus fündig geworden:

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